Briefe
Dominis sanctis et in Christo patribus vel fratribus, episcopis, presbyteris, caeterisque sanctae ecclesiae ordinibus Columba peccator salutem in Christo praemitto.
Ich, der Sünder Columban schicke meinen heiligen Herren und Vätern und Brüdern in Christo, den Bischöfen, Priestern und all den anderen Amtsträgern der heiligen Kirche Grüße in Christo.
- Columban der Jüngere, ep.2, Gundlach, W. (Ed.): MGH Epistolae III, Berlin 1892 S.160.
Der frühmittelalterliche Brief war weit mehr als reines Mittel zur individuellen Informationsübermittlung, der Brief war häufig auch ein Mittel öffentlicher Kommunikation. In dieser Form unterschied sich die Briefkultur der Spätantike und des Frühmittelalters wesentlich von der antiken. Zwar kannte auch die Antike den Brief als durchformte literarische Gattung (Cicero, Plinius, Seneca), doch eine öffentliche Wirkung des Schreibens war nicht immer intendiert. Zwar nutzte auch die Antike bereits die Briefform, um einem breiteren Publikum philosophische Fragen zu erläutern, doch der Großteil der antiken Sammlungen ist Kunstprosa. Erst die Patristik institutionalisierte den Brief als Lehrtext. Theologische Problemstellungen wurden in Musterbriefen behandelt und religiöse Fragen erörtert. Die Verbreitung dieser Schreiber weit über den Empfänger hinaus war beabsichtigt. Das Vorbild für diese Art der Briefliteratur lieferte neben den antiken Briefsammlungen vor allem das Neue Testament. Modell und Maßstab waren die Paulinischen Briefe. Das Konzept der öffentlichen Belehrung in Briefform war also von Anfang an mit dem Christentum verbunden. Die Sammlungen der Kirchenväter, allen voran das Briefwerk Papst Gregors des Großen (854 Briefe) gehörten im Mittelalter fest zum Fundament der lateinischen Theologie. Aber auch Herrscher nutzten den Brief als öffentliches Kommunikationsmittel, die Epistola de litteris colendis Karls des Großen an Abt Baugolf von Fulda war weit mehr als ein einfacher Brief, es war ein kulturpolitisches Programmschreiben, das gezielt verbreitet werden sollte. Dass der Privatbrief im Frühmittelalter keineswegs ausgestorben war, zeigen neben den erhaltenen Briefsammlungen (Alkuin, Bonifatius) auch Formelbücher in denen sich Vorlagen für Glückwunsch- und Grußadressen finden (Formulae Marculfi).