Schriftkultur
Claustrum sine armario quasi castrum sine armamentario
«Ein Kloster ohne Bücherschrank ist wie eine Burg ohne Waffenkammer»
- Gottfried v. Breteuil, ep.18, Migne, J.P.(Ed.): Patrologia Latina 205, Paris 1855, col.845.
Hort der frühmittelalterlichen Bildung war die Klosterschule (schola). Hier wurden die jungen Zöglinge des Klosters und bisweilen auch zukünftige Kleriker und einzelne Laien in den sieben freien Künsten (septem artes liberales) unterwiesen: Grammatik, Rhetorik, Dialektik (Trivium) und Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie (Quadrivium). Grundlage des Unterrichts war die lateinische Sprache, die die Kinder über das Memorieren des Psalters erlernten. Maßgeblich für den fortgeschrittenen Sprachunterricht waren der spätantike Grammatiker Donat, die Schriften der Kirchenväter (Hieronymus, Augustinus, Ambrosius, Gregor d. Große), der Epiker Vergil, die spätantiken christlichen Dichter (Prudentius) und selbstverständlich die lateinische Bibel. Die Bildung des Frühen Mittelalters schöpfte aus der lateinischen (und in geringem Maße auch der griechischen) Literatur der Spätantike. Dabei eignete sich die germanische Herrscherschicht rasch die Bildung ihrer romanischen Untertanen an (die letzte Nachblüte römischer Kultur in der Spätantike fand statt, als die Ostgoten über Italien herrschten). In Gallien war der alte Senatorenadel, aus dem sich nun die Bischöfe rekrutierten (Gregor v. Tours, Caesarius v. Arles), Träger der Bildung. Auch irische und angelsächsische Mönche brachten auf ihren Missionsreisen die antike lateinische Kultur in die neuen Reichsbildungen, die auf dem Boden des westlichen Imperium Romanum entstanden waren. Entscheidend für eine gute Ausbildung war die Ausstattung der Klosterbibliothek, weshalb eifrige Äbte und Bischöfe oft erhebliche Mühen aufwandten, um seltene oder begehrte Schriften für ihr armatorium zu erwerben. Wenn möglich wurde vor Ort kopiert. Die notwendige Kunstfertigkeit des Schreibens wurde ebenfalls in der Klosterschule vermittelt; man schrieb zunächst mit Eisengriffeln auf wachsbeschichtete Holztäfelchen. Doch nicht jeder der Lesen konnte, war auch zum Schreiber berufen, nur wer die Grundvoraussetzungen einer ruhigen Hand und eines scharfen Auges besaß, durfte später als Kopist im Scriptorium mit dem wertvollen Werkstoff Pergament arbeiten.