Lösungsvorschlag für Bourges C 15
9. Mai 2023
Annäherungen an Bourges C 15
Durch die Anonymisierung der zahlreichen Personennamen ist der Inhalt des ursprünglichen Briefes nicht mehr mit endgültiger Sicherheit zu ermitteln. Lediglich eine Annäherung ist möglich, ohne dass diese den Anspruch auf Richtigkeit erheben kann. Der Identifizierung der verschiedenen Personen liegen eine Reihe von Prämissen zugrunde:
1. Die eingangs angekündigte Reise nach Galicien hat mit der im folgenden besprochenen Angelegenheit nur mittelbar zu tun: Sie kündigt die Abwesenheit des Schreibers und damit seine Unfähigkeit an, selbst weiter in dieser Angelegenheit tätig zu werden. Sie unterstreicht damit die Notwendigkeit der Vermittlung durch dritte Personen.
2. Der nicht weiter benannte praesul, bis zu dessen Ankunft etwas zu geschehen hatte, ist identisch mit dem weiter oben genannten Bischof Ado von Lyon (768-798). Das Weglassen des Namens bei der Nennung des praesul impliziert, dass dieser bereits genannt wurde – es muss sich also um Ado handeln. Eine Identität Ados mit dem im gleichen Zuge genannten Erzbischof ist abzulehnen, setzt sie doch voraus, dass Ado erst als Bischof, dann als Erzbischof tituliert wird. Der Metropolitenstatus der Bischöfe von Lyon wurde erst vor 811 unter Ados Nachfolger Leidrad restituiert (vgl. D. Pangerl, Die Metropolitanverfassung, S. 73-75).
3. Das Bittgesuch an Bischof Ado und das darauffolgende, ebenfalls an Ado gerichtete Schreiben sind zeitlich nach der Angelegenheit mit dem Erzbischof anzusetzen.
4. Mit dem Erzbischof waren offenbar Vereinbarungen getroffen worden, die bis zur Ankunft Bischof Ados umzusetzen waren. Bei der Ankunft Ados war der Erzbischof selbst nicht anwesend. Die mit dem Erzbischof getroffenen Vereinbarungen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr ausreichend. In der Folge wurde alles Notwendige in Abwesenheit des Erzbischofs vom Empfänger des Schreibens Bourges C 16 mit Zustimmung einer weiteren Person neu geregelt.
5. Ado muss vor der Rückkehr des Erzbischofs abreisen, ebenso wie der Schreiber mit seinem Herrn (vgl. 1.). Der Schreiber ergreift entsprechend eine Reihe von Maßnahmen: das Schreiben an Ado (vgl. 2.) sowie die Bitten um Vermittlung Bourges C 15 und 16.
Bourges C 15
Eure einflussreiche Hoheit[B] soll außerdem wissen, dass wir[A] für Euch die Gnade des Herrn erbitten, der Euch die Glückseligkeiten dieser Welt gewähre und Euch nach Ablauf des Lebens zu noch Besserem und nicht in Worte zu Fassendem führen soll. Ich[A] mache Eurer von mir geliebten und mir hoch zu verehrenden Nächstenliebe außerdem bekannt, dass ich mich mit meinem Herrn[C] auf die nun bevorstehende Reise in die galicischen Lande machen muss.
Ich habe freilich an den Herrn Bischof Ado [von Lyon] einen Brief gesandt, den ich mit dem Griffel meiner Bescheidenheit eingeritzt habe, und forderte die Dinge an, wegen der ich kürzlich als Bittsteller zu ihm kam, [und] über die Ihr[B] vollständig Bescheid wisst, denn jemand, der so klug ist, wie Ihr es seid, begreift nach wenigen Worten viel.
Die Angelegenheit, um die ich Erzbischof Soundso[D] bis zur Ankunft des Bischofs[Ado] bat, hat sich nämlich gerade gegenüber dem Zeitpunkt, als ich dort war, derart gewandelt, dass Herr Soundso[E][1] kurz nachdem der Soundso[Ado] gekommen war, den Willen des Soundso[D?] erfragte und mit Erlaubnis des Soundso[F] das, worum ich[A] gebeten hatte, geneigten Sinns gewährte.
Siehe, nun ist an der Zeit, dass Herr Soundso[Ado] dorthin kommt und er ist dem Soundso[D] bereits enteilt. Ich wende mich daher an den Soundso[E], damit, falls es dem Soundso[D] gefällt, durch Eure[B] Fürsprache das, was ich[A] fordere, doch wenigstens ein gutes Ende nimmt. Sollte es ihm[D] aber nicht gefallen, was er bezüglich jener Angelegenheit tun soll, so soll er mich darüber in Kenntnis setzen, damit mein Argwohn bezüglich dieser Sache abgewendet wird. Ich[A] bestimme Euch[B] freilich in dieser Angelegenheit zum Beschützer und Helfer, damit dies, falls es getan werden muss, doch wenigstens von Euch getan werde. Ihr wisst, was der Soundso[F] durch Eure Fürsprache wegen dieser Angelegenheit an Euch und mich gerichtet hat, als ich mich mit dem Soundso[G?/C?] eine Zeit lang von der Stadt entfernt habe, er hat [mir] dasselbe bekannt gemacht, was er Euch [zuvor] bekannt gemacht hatte. Ergreift den Soundso[D] bei Euch und müht Euch dergestalt in dieser Angelegenheit, auf dass Ihr, weil Ihr zeitweilig bei mir im Dienst standet und, so glauben wir, von Gott erfüllt seid, Lohn empfangen mögt. Ich mag es mir verdienen, das Antlitz Eurer Heiligkeit unversehrt anzutreffen und mich über Euer Heil und Wohlergehen zu freuen. Dem Gott getreuen Herrn und unversehrten Freund geht es gut und er dient im Dienste Gottes wie ein guter Streiter Christi. Euer Freund Soundso und auch der Soundso sind gesund und unversehrt und es geht ihnen bestens und all Eure Freunde und deren Angehörige, die in diesen Landen hier leben, sind kraftvoll an Körper und Geist.
[1] Der Empfänger von Bourges C 16.
Bourges C 16
Besonnen denke ich inständig an meine Bitte und Euer Versprechen bezüglich jener Angelegenheit, über die Ihr vollständig Bescheid wisst, [und] wegen der ich[A] Euch[E] und den von Gott geliebten Herrn Soundso[B] schon längst als Bittsteller aufgesucht habe, Euch aber [kommt es zu], für mich an den Soundso [F] [heranzutreten]. Dieselbe Angelegenheit hat sich bis zur Ankunft des wohlbekannten Bischofs[Ado] bei Erzbischof Soundso[D] nämlich derart gewandelt, dass Ihr[E], als der Soundso[Ado] dorthin eilte und kam, in dieser Angelegenheit den Willen des Soundso[D] erfragtet und mir mit Erlaubnis des Soundso[F] eben das, worum ich gebeten hatte, geneigten Sinns gewährt habt, indem Ihr Eure Zustimmung zu meiner Bitte gewährtet. Daher habe ich veranlasst [Euch] diese Zeilen meiner Dürftigkeit zu schicken, die vor Eurem ehrenwehrten Antlitz verlesen werden sollen, damit Ihr mir durch einen Brief von Euch, den zu betrachten ich mir ungemein wünsche, Gewissheit darüber gebt, was auch immer ich wegen dieser Angelegenheit nun tun muss, und es soll Euch nicht belasten, mir das, was auch immer Euch besonders wohlgefällig erscheinen mag, aufs einzelne mitzuteilen. Ich habe Euren Ohren bereits dargelegt, ich bitte wegen dieser Angelegenheit so dringend um eben jene Sache. Gewiss, falls es mir nicht zugekommen wäre, dass ich Euch bekannt bin, hätte ich keinesfalls um jene [Sache] gebeten, denn ich bin nicht gezwungen, um sie zu bitten. Nur macht mir freilich auch bekannt, falls Euch meine Bitte in dieser Angelegenheit nichtig und verderblich erscheint, damit meine Hoffnung auf eben jene Sache, die ich erbitten muss, völlig ausgeräumt werde.