Warum wird die Zeit vor Weihnachten Advent genannt?
17. Dezember 2024
Der adventus bezeichnet die Ankunft oder das Erscheinen. In der Antike konnte etwa die Wiederkehr oder Heimkehr eines geehrten Bürgers als adventus bezeichnet werden. So wurde etwa die Rückkehr des exilierten Ciceros mit einem adventus zeremoniell begangen. In der Tradition des inszenierten adventus ist für die mittelalterliche Tradition jedoch insbesondere die Ankunft der Herrschers entscheidend. Die Vermittlung konkreter Begrüßungsriten erfolgte zunächst über den römischen Kaiserkult, der nach älteren Bräuchen aus hellenistischer Zeit das Erscheinen Gottes in seinem Tempel als adventus bezeichnen konnte. Zudem wurden noch in der Spätantike ausdifferenzierte Begrüßungszeremonielle für entsandte Beamte in den römischen Provinzen genutzt.
Die benannten Traditionslinien (Herrscherankunft, Grußzeremoniell und Gottesgegenwart) bleiben auch im christlichen Mittelalter wesentlich erhalten, erfahren jedoch Umdeutungen und Adaptionen. Betrachtet man beispielsweise den adventus als Zeremoniell der Ankunft eines Würdenträgers, lässt sich im monastischen Bereich die Forderung eines Grußzeremonielles für jeden Gast des Klosters finden. Der Reisende wird Christus angenähert und entsprechend geehrt. Spätestens in der Karolingerzeit lassen sich allerdings erneut Bräuche ausmachen, die der Herrscherankunft erneut ein eigenes Gepräge gegenüber der Reisendenbegrüßung geben. Der begünstigte Charakter des Königs oder Kaisers wird bei seinem Erscheinen durch ein triumphales Zeremoniell hervorgehoben, das sich sowohl aus kirchlicher als auch älterer fränkischer Tradition speist. Der Einkehr des Herrschers geht der Klerus entgegen, das Volk verfolgt die öffentliche Darstellung der Macht. Das französische „noël“, heute zumeist mit dem Weihnachtsfest konnotiert, ist ursprünglich ebenso ein jubelnder Ausruf, der auf das Spätmittelalter zurückgeht und als Antwort auf einen adventus in Gebrauch gewesen sein könnte.
In christlich-theologischer Deutung beschreibt der Advent schließlich die Ankunft Jesu, den sogenannten adventus domini. In seiner Bedeutung ist der Begriff synonym mit dem griechischen ἐπιφάνεια (Epiphanie), dem Tag der Erscheinung des Herrn, dem sog. dies adventus, in Verwendung gewesen. Epiphanie und Advent können doppelt konnotiert werden und beziehen sich sowohl auf die Ankunft Jesu in der Welt, d.h. die Geburt Jesu, und die erwartete Wiederkunft Jesu am Ende der Tage. Die gegenüber dem Weihnachtsfest ältere Feier der Epiphanie wurde – analog zum Osterfest – spätestens im 5. Jh. mit einer mehrwöchigen Fastenzeit versehen. Die in den „Zehn Büchern Geschichte“ des Bischofs Gregor von Tours belegten Fastenanweisung seines Vorgängers Perpetuus bieten den frühesten Beleg einer definierten „Adventszeit“: „Vom Todestag des heiligen Martinus bis Weihnachten dreimaliges Fasten in der Woche.“[1]
In der liturgiewissenschaftlichen Forschung herrscht daher weitestgehend Konsens darüber, dass diese eigentliche Adventszeit ursprünglich als Vorbereitungs- und Fastenzeit vor dem älteren Epiphaniasfest entstanden ist. Selbiges scheint neben dem Pfingstfest ein bevorzugter Tauftermin gewesen zu sein. Unklarheit besteht in der Frage darüber, welche Dauer die Adventszeit ursprünglich besaß. Die liturgischen Quellen legen nahe, dass in Rom zunächst fünf bis sechs Wochen der üblichen Praxis entsprachen, ehe sich im elften Jahrhundert vier Sonntage für den Advent durchsetzten.
Die Übergangszeit von Spätantike und Frühmittelalter ist eine entscheidende Periode, in der sich vieles peu à peu etabliert. Dies betrifft auch die Adventszeit, die sich wie das Weihnachtsfest vom 5. bis zum 7. Jh. im gallischen Raum nach und nach durchgesetzt zu haben scheint. Gegen Ende dieses Zeitraumes, nämlich um die Mitte des 7. Jh., lässt sich die Formelsammlung des Marculf datieren, die unter der Nummer II,44 in Grüßen eines Bischofs an einen König oder eine Königin folgenden Passus überliefert: „Da wir alle über die Ankunft der Geburt des Herrn frohlocken […]“[2]
Der beschriebene adventus entspricht eindeutig der christlich-theologischen Deutung. Es handelt sich also um Weihnachtsgrüße, die, hinsichtlich der Datierung wie auch der geographischen Verortung, ebenso als Weihnachtsgrüße im Rahmen der historisch noch jungen Adventszeit gedient haben könnten. Auch wenn sich unsere moderne Auffassung von Weihnachtsfeier und Advent erst im 19. Jh. ausgeprägt hat, besteht ferner eine deutliche Verbindung von Jahreswechsel und Weihnachtsfest bereits seit dem Frühmittelalter. Bezeichnend ist hier etwa die Schilderung der Kaiserkrönung Karls der Großen, die im Jahr 800 am Weihnachtstag stattgefunden hat und im Bericht der karolingischen Reichsannalen den Jahreswechsel überspannt[3].
BAS
[1] Gregor von Tours, Historiarum libri decem, X, 31,6. Zehn Bücher Geschichten, hrsg. von Rudolf Buchner, Darmstadt 1974, Bd., 2, S. 404-405: “De depositone Martini usque natale Domini terna in septimana ieiunia.“
[2] Marculf II,44: „Dum generaliter dominicae navitatis exultamus adventum […]“
[3] Der Bericht finden sich in den Annales regni Francorum, 800-801, Die Reichsannalen, in: Quellen zur karolinischen Reichsgeschichte, erster Teil, hg. von Rau, Reinhold, Darmstadt 1987, S. 74-75.
Literatur(empfehlungen):
Bieritz, Karl-Heinrich: Das Kirchenjahr: Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart, München 2014.
Johanek, Peter und Lampen, Angelika (Hgg.): Adventus: Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln 2009.
Jungmann, Josef Andreas: Advent und Voradvent: Überreste des gallischen Advents in der römischen Liturgie, in: Zeitschrift für katholische Theologie 61,3 (1937), S. 341-390.
Kölzer, Theo: Art. Adventus regis, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 1, 1999, S. 170-171.
Latham, Jacob: Rolling Out the Red Carpet, Roman Style : The Arrival at Rome From Constantine to Charlemagne, in: Kalas, Gregor und Dijk, Ann van: Urban Developments in Late Antique and Medieval Rome: Revising the Narrative of Renewal, Amsterdam 2021, S. 109-148.
Lumma, Olaf: Feiern im Rhythmus des Jahres: Eine kurze Einführung in christliche Zeitrechnung und Feste, Regensburg 2016.
McCormick, Michael: Eternal victory: Triumphal rulership in late antiquity, Byzantium, and the early medieval West, Cambridge 1986.
Willmes, Peter: Der Herrscher-„Adventus“ im Kloster des Frühmittelalters, München 1976.