Bourges C 7: Was man als Bischof einem Brudermörder mitgibt
21. Februar 2024
Empfehlungsschreiben finden sich häufig in den Formelsammlungen. Oft handelt es sich dabei um Schreiben, die Reisenden oder Pilgern mitgegeben wurden und diese den verschiedenen weltlichen und geistlichen Amtsträgern anempfohlen. Andere wiederum betreffen die Versetzung von Priestern in eine andere Diözese. Die Formelsammlung der Handschrift Leiden BPL 114 enthält ein Empfehlungsschreiben der anderen Art, welches vermutlich ein Bischof für einen Brudermörder (Bourges C 7; ed. Zeumer Form. Bit. 13) austellte. Angestachelt vom Teufel habe der Träger dieses Schreibens seinen leiblchen Bruder (germanus) getötet und sei dafür nun, gemäß der kanonischen Autoritäten, in die Verbannung (exilium) geschickt worden. Doch „sind wir alle Pilger auf dieser Welt“ und so sei der Verbannte, entsprechend den Werken der Barmherzigkeit, aufzunehmen und gut zu behandeln. Der Verweis auf das kanonische Recht als Begründung für die Verbannung des Brudermörders ist überraschend, fordern die Konzilien doch einhellig die Exkommunikation für diejenigen, die sich des homicidium, der Tötung schuldig gemacht haben. In karolingischer Zeit werden in diesem Zusammenhang dann gelegentlich auch öffentlich Bußen verlangt. Die Forderung nach der Verbannung als Strafe für die Tötung eines Menschen findet sich dagegen in den Bußbüchern des Columban (Paenitentiale Sancti Columbani, B, c. 13), hier auf drei Jahre befristet, verbunden mit dem Verbot, Waffen zu tragen, und der Beschränkung der Kost auf Wasser und Brot. Von diesen Beschränkungen ist im Schreiben allerdings nicht die Rede, dennoch demonstrieren die Verbannung des Brudermörders und die Begründung der Verbannung mit kanonischer Autorität den Einfluss der Bußbucher auf die frühmittelalterliche Lebenswelt.
Weiterführende Literatur:
Zur Bedeutung der Bußbücher:
Meens, Rob: Penance in Medieval Europe. 600-1200, Cambridge 2014.
Zur Verbannung:
Bührer-Thierry, Geneviève und Stéphane Gioanni (Hgg.): Exclure de la communauté chrétienne. Sens et pratiques sociales de l’anathème et de l’excommunication, IVe-XIIe siècle, Turnhout 2015.